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Was bedeuten eigentlich restaktive frühkindliche Reflexe für Ihr Kind?

Als die Mutter von  Lisa, 8 J, bei mir anrief, erzählte sie mir, dass ihre Tochter sehr schüchtern sei, vor allem Erwachsenen gegenüber. Sie würde sich, obwohl sie die Antwort wisse, im Unterricht nicht melden und es falle ihr schwer, sich in der Schule zu konzentrieren. Ob ich helfen könne?! Als Lisa dann eine Woche später in meiner Praxis war, habe ich mit dem kinesiologischen Muskeltest ausgetestet, dass der Moro-Reflex und der Furcht-Lähmungsreflex bei ihr noch restaktiv waren. Im Vorgespräch deutete schon einiges darauf hin, da sich Lisa selbst auch als licht- und geräuschempfindlich beschrieb. 

"Moro-Reflex? Habe ich schon mal gehört, was ist das eigentlich genau?" So eine Frage wird mir meistens gestellt, wenn ich anfange, über die Reflexintegration zu reden. 

 

Daher habe ich mich entschlossen, meinen Blog damit zu starten. Denn ich finde es super wichtig, dass die Folgen restaktiver frühkindlicher Reflexe bei Eltern, Lehrenden und auch Kinderärzt*innen bekannter werden, da sie massive Auswirkungen auf unser Leben und auf den Schulalltag unserer Kinder im besonderen haben können. Die gute Nachricht gleich vorne weg: Die frühkindlichen Reflexen kann man durch ein spezielles Bewegungstraining nachreifen und ich bin jedes Mal  total begeistert, wie wirksam die Reflexintegration ist. Lisa war mein erstes "RIT-Kind" und es war sehr aufregend zu sehen, wie deutlich die Entwicklung war und dass Lisa bereits nach drei Terminen positive Rückmeldungen von ihrer Lehrerin bekommen hat. Sie war mega stolz und ist total aufgeblüht!

Moro und FLR: ihre Aufgaben und Auswirkungen

Der Moro-Reflex ist ein, nach dem Kinderarzt Ernst Moro benannter, frühkindlicher Überlebensreflex.

Er beschreibt ein reflexhaftes Verhalten auf eine bedrohliche Situation, das nicht nur beim Menschen, sondern auch bei einigen anderen Säugern auftritt.

Ein plötzlicher, äußerlicher Reiz, durch den das Kind sich erschrickt, löst den Moro-Reflex aus. Der Mund öffnet sich, das Kind atmet heftig ein, Arme und Beine werden ruckartig gestreckt, die Finger werden abgespreizt. Beim Ausatmen werden die Arme wieder an den Körper angelegt und die Hände zu Fäusten geballt. Dieser Bewegungsablauf erfolgt blitzschnell und ermöglicht dem Neugeborenen den ersten Atemzug, wenn es zu ersticken droht. Entwicklungsgeschichtlich diente der Moro-Reflex dazu, durch das Nachgreifen bei Gefahr, einen sicheren Halt im Fell der Mutter zu bekommen. Man kann dies bei anderen Primaten auch heute noch gut beobachten.

 

Wenn der Reflex noch aktiv ist...

Normalerweise wird der Moro-Reflex durch die neuronale Entwicklung zwischen dem 2. und 4. Lebensmonat durch den erwachsenen Schreckreflex ersetzt. Manchmal bleibt der Moro-Reflex aber auch über diesen Altersabschnitt hinaus bestehen. Man spricht dann von einem persistierenden (verharrenden) Moro-Reflex.

Die davon betroffenen Kinder sind sehr schreckhaft und werden dadurch nachts häufig aus dem Schlaf gerissen. Tatsächlich kann der Moro-Reflex manchmal selbst bei Erwachsenen noch nachgewiesen werden.

Ein persistierender Moro-Reflex hat für das Kind häufig eine ganze Reihe unangenehmer Folgen. So kommt es zu Wahrnehmungsproblemen und in der Folge zu erhöhter Ängstlichkeit, fehlender Impulskontrolle, Koordinationsstörungen, Gleichgewichtsproblemen, Lichtempfindlichkeit, schneller Ermüdung der Augen und zur Überempfindlichkeit auf Geräusche. Aber auch rezidivierende Infekte im Hals-Nasen-Ohren-Bereich lassen sich auf den persistierenden Moro-Reflex zurückführen.

Gerade die fehlende Impulskontrolle lässt viele Eltern und Lehrer verzweifeln. Dabei wissen die Kinder meist gar nicht warum der Wüterich wütet.

Auch als Erwachsener merkt man es oft an einem erhöhten Stresslevel, man ist oft gereizt und reagiert schnell wütend oder genervt.

 

Furcht-Lähmungsreflex

In der Schwangerschaft benötigt das Baby den Furcht-Lähmungsreflex, kurz FLR, als Schutzmechanismus. Steht die Mutter unter Anspannung durch Stress oder einen Schreck, komprimiert sich das Fruchtwasser und es entsteht ein Druck auf das Baby. Zum Schutz, damit sich das Baby nicht in die Nabelschnur einwickelt, geht das Kind in den sogenannten „Freeze-Zustand“, kugelt sich zusammen wie ein Igel und erstarrt. Dauert dieser Zustand zu lange an, kann es sein, dass die Gehirnentwicklung dadurch beeinträchtigt wird.

Der FLR entsteht in der 5. bis 7. Schwangerschaftswoche und geht in der 12. SSW in den Mororeflex über. Wird der FLR jedoch nicht gehemmt, z.B. durch Stress oder Angst das Baby zu verlieren, bleibt auch der Mororeflex weiterhin aktiv.

Der FLR und der Moro bereiten das System auf lebensbedrohliche Situationen vor, indem der Körper auf Flucht oder Kampf eingestellt wird. Das System wird unmittelbar in Erregung versetzt, ein schnelles Einatmen, kurzes Erstarren (FLR) und einem anschließenden Aufschrecken (Moro).

Beim Geburtsvorgang setzt der FLR die Körperfunktionen herab, was beim Austritt aus dem Geburtskanals wegen des Sauerstoffmangels wichtig ist. Unmittelbar nach der Geburt wird der Mororeflex aktiviert, die Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin und Cortisol bewirken, dass das die Atemfrequenz steigt, der Blutdruck erhöht und der Herzschlag gesteigert wird.

Der FLR wird ausgelöst durch 

- Augenkontakt, laute Geräusche oder auch unerwartete Berührungen

- Die Kinder erstarren und sind handlungsunfähig und oft auch hypersensibel auf Gerüche 

Trennungsängste sind oft ein Begleiter von Kindern mit einem aktiven FLR,

-  Die Kinder klagen über Bauchweh und/oder wollen nicht in die Schule/Kindergarten.

 

FLR und Lese- und Rechtschreibschwäche

Was wir als Eltern wissen sollten: Die Kinder mit "offenem" FLR geraten im Alltag häufig in Stresssituationen, welche die Freisetzung von Adrenalin und die Erregung des Sympathikus (sorgt für Aktivitätssteigerung im Körper für die Flucht) bewirken. Dadurch wird die sogenannte Akkomodation blockiert, das Scharfstellen eines Bildes auf der Netzhaut. Die führt dazu, dass z.B. im Prüfungssituationen, wenn die Kinder unter Stress stehen, die Buchstaben verschwimmen oder die Buchstaben hüpfen. Auch wird das Umschalten von Nah-und Fernsehen erschwert, was wiederum bewirkt, dass der Blickwechsel von der Wandtafel auf das Blatt, viel länger dauert und das Kind entsprechend mehr Zeit benötigt um abzuschreiben.

Folgende Merkmale können auf eine schlechte Akkommodation hinweisen:

- schnelles Ermüden beim Lesen

- Leseverständnis verschlechtert sich, je länger das Kind liest

- Lesen wird vermieden

- Kopfschmerzen oder Augenreizungen beim Lesen

- heftiges Blinzeln oder Augen reiben

- Buch wird sehr Nahe an die Augen gehalten

- Flüchtigkeitsfehler beim Abschreiben von der Tafel

- kurze Wörter (als, von, ist) werden falsch gelesen

- lange Wörter werden erkannt 

FLR und Hyperaktivität

Das Auslösen des FLR durch Augenkontakt, kann dazu führen, dass die Kinder anderen nicht in die Augen schauen können. Durch die Freisetzung der Stresshormone werden die Gehirnzellen geschädigt und die Verknüpfung zum Cortex (Verstand) ist blockiert. Der ständig überhöhte Adrenalinspiegel wird im Gehirn programmiert, dadurch ist die Amygdala vergrößert (der Wächter bei Gefahr) und reagiert viel schneller. Folgende Merkmale können auf einen aktiven Furcht-Lähmungsreflex hinweisen:

- Unfähigkeit auf bedrohliche Situationen zu reagieren

- Sprachliche Ausdrucksschwierigkeiten in Konfliktsituationen

- Emotionale Starre, Gefühle können nicht gezeigt/geäußert werden

- Verspannungen im Nackenbereich

- geringe Stresstoleranz

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